Momentaufnahme
Wenn von Weihnachten die Rede ist, dann sieht man keine glänzenden Augen, aus denen die Vorfreude allein schon erkennbar ist, sondern es schleichen sich vielmehr kleine Sorgenfältchen ins Gesicht und man hört Gejammer über diesen Weihnachtsgeschenkestress, der dieses Jahr mal wieder ganz furchtbar schlimm ist, wobei ich da wohl die mit dem lautesten Gejammer bin.
Ich habe den Wise Guys heute den Saft abgedreht, weil ich ihr Gesäusel von Wahrheiten, die ich leider nur allzu gut kenne, nicht mehr hören konnte. Enya war auch nicht besser, jetzt schaue ich mal, was ich so an Metal habe, möglichst hart, möglichst extrem, möglichst ohne dass ich den Text verstehen kann. Ein dumpfes Dröhnen reicht mir schon völlig.
Die Weihnachtsgeschenke liegen entweder halbfertig im Keller, weil ich die Lust daran verloren habe oder irgendwo hingeklatscht in meinem Zimmer, oder sie sind noch gar nicht vorhanden. Ich habe keine Lust, unser Weihnachtstreffen zu planen, ich habe keine Lust, mir weiter Gedanken über Geschenke zu machen, ich habe keine Lust mehr auf Weihnachten.
Ich kann das Wort "Ich" nicht mehr hören, weil ich meinen Egoismus nicht mehr ertragen kann, aber ich mag auch nicht mehr darüber nachdenken, wie ich anderen Leuten eine Freude machen könnte, weil ich das ständig mache.
Ein Psychologe hätte sicher seine helle Freude an mir, man kann mich analysieren, was das Zeug hält, und trotzdem bleibe ich ein einziger Widerspruch; selbst ich schaffe es nicht, mich überhaupt ansatzweise zu durchschauen.
Und die Zitronenmelisse, die den Sommer über unseren ganzen Garten überwuchert hat, ist jetzt natürlich verschwunden, so dass ich noch nicht einmal meinen Lieblingstee, der gleichzeitig mit Grastee der einzige ist, den ich überhaupt trinke, aufbrühen konnte. Das war mir irgendwie schon klar, als ich vorhin im Garten geschaut habe...
Aber trotzdem, ich will ja niemandem den Spaß verderben, wünsche ich einen schönen Nikolausabend in der Hoffnung, dass sich meine Laune ein wenig bessert.